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Montag, 18 November 2019 17:53

Kaninchen - wer paßt zu wem?

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kaninchenKaninchen zählen zu den Gruppentieren, d.h. sie beziehen ihre Sicherheit aus dem Leben in einer Gruppe mit starken Hierarchien. Die Einzelhaltung grenzt für ein solches Tier daher oft an Tierquälerei und ist abzulehnen. Auf der anderen Seite machen es uns die lieben Kaninchen nicht immer leicht sie zu vergesellschaften. Leider werden Kaninchen noch immer zu oft auf zu engem Raum gehalten. Die Hinterläufe sagen bereits, dass sie viel hoppeln müssen um glücklich zu sein. Daher sollte die Anschaffung eines Kaninchens immer wohl überlegt werden. Sie eignen sich nicht wirklich als Kuscheltiere und noch weniger für Kleinkinder.

Im Vordergrund bei der Wahl eines Kaninchens, ob als Erstanschaffung, als Zweitkaninchen oder als weiteres Tier für eine bereits bestehende Gruppe, stehen das Geschlecht und der Charakter. Die Größe ist nebensächlich, wohin gegen das Alter auch noch eine Rolle spielen kann. Durchaus können Gruppen mit Kaninchen unterschiedlicher Größe und Rasse ein harmonisches Miteinander leben. Der Charakter ist nicht zu unterschätzen. Zwei dominante Tiere führen ebenso oft zu Problemen wie zwei unterwürfige. Bei Tiergruppen ist daher auf einen ergänzenden Charakter zu achten! Mit anderen Worten sollte man zu einem unterwürfigen Tier ein dominantes und zu einem dominanten Tier ein unterwürfiges Kaninchen wählen. Das vom Charakter unterwürfige Tier bezieht durch das dominante Tier Sicherheit. Es kann sich mit einem weiteren unterwürfigen Tier unsicher fühlen und Stress leiden. Kaninchen leben nun einmal in klaren Strukturen, Hierarchien und beziehen hieraus ihre Sicherheit. Gerade bei Gruppenhaltung ist die Beobachtung des Verhaltens und damit der Charaktere der Tiere immens wichtig, ehe ich ein neues Tier der Gruppe hinzu füge. Zudem müssen wir auf Mobbingsituationen achten.

 

Da sich Tierhalter überwiegend für eine kleine Gruppe aus zwei Tieren entscheiden, hier ein paar Tipps

Am besten geeignet ist die Vergesellschaftung eines kastrierten Rammlers mit einem Weibchen, weil dies der natürlichsten Kombination gleich kommt. Hier kann man besonders häufig gegenseitige Fellpflege und Kontaktliegen beobachten. Dennoch sollte das Alter der Tiere Beachtung finden. Ausgewachsene weibliche Tiere sind häufig sehr dominant und daher sollte der kastrierte Rammler älter oder zumindest gleich alt sein.

Weibchen verteidigen ihr Revier oft sehr heftig und und der jüngere Rammler könnte durch solch Attacken verletzt werden. Vom Stress ganz zu schweigen. Die Kombination eines unkastrierten Rammlers mit einem kastrierten Weibchen ist nicht empfehlenswert bis abzulehnen, da die Rammler die Damen extrem bedrängen und das nur zu Stress für die Weibchen führt. Nachwuchs sollte verhindert werden, da es ohnedies jede Menge Kaninchen gibt. Wenn man nicht züchtigen möchte, dann bitte keinesfalls ein unkastriertes Weibchen mit einem unkastrierten Rammler halten. Eine weitere zumeist gut funktionierende Vergesellschaftung ist jene zweier kastrierter Rammler.

Die Kastration der männlichen Tiere sollte VOR der Geschlechtsreife geschehen, damit es nicht zu kämpfen in der Pubertät kommt. Ist es aber schon einmal soweit gediehen, dann muss man die Tiere auch hier nach der Kastration in etwa für 8 bis 10 Wochen getrennt halten. Es dauert, bis sich der Hormonhaushalt neu eingependelt hat. Dann kann man eine neue Vergesellschaftung in Angriff nehmen. Trennung bedeutet, dass die Tiere in unterschiedlichen Räumen untergebracht werden und einander weder sehen noch riechen.

Kleingruppen von zwei weiblichen Tieren führen sehr häufig zu Problemen und daher ist von dieser Kombination abzuraten. Selbst bei Geschwistertieren. Kommen die Damen zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat in die Geschlechtsreife, werden sie häufig recht zickig. Kämpfe sind im Zuge von auftretenden Rangproblemen mit der Geschlechtsreife sehr häufig und können extrem heftig ausfallen. Selbst Mutter und Tochter vertragen sich selten harmonisch.

Bezüglich größerer Gruppen sei darauf hingewisen, dass je mehr Weibchen in einer Gruppe leben, desto eher sind Konflikte vorprogrammiert. Am besten hält man im überwiegenden Teil kastrierte Rammler oder zumindest Hälfte Hälfte. Natürlich wäre es die natürlichste Haltungsform, wenn die Weibchen in die Überzahl wären. Allerdings führt dies in der Praxis doch häufig zu Kämpfen unter den Damen. Der Raum ist in Gefangenschaft halt doch zumeist begrenzt.

Bitte keine Vergesellschaftung von Kaninchen mit Meerschweinchen! Sie sind zu verschieden, sprechen eine unterschiedliche Sprache.

 

Zeitpunkt der Vergesellschaftung

Der erste Weg nach der Anschaffung eine Kaninchens sollte zum Tierarzt führen, der den Kot auf Würmer, Kokzidien, Yersinien, Clostridien, und Giardien testet und das Tier untersucht. Eine Quarantäne des neuen Tieres ist für mindestens zwei Wochen unbedingt erforderlich, insbesondere bei Tieren unbekannter Herkunft.  In dieser Zeit ist genauestens auf etwaige Krankheitszeichen zu achten wie etwa: Form des Kots? Trockene Nase? Augen? Bauchumfang? Verhalten des Tieres? Beschaffenheit des Felles? Empfindlichkeiten beim Abtasten?

Junge Tiere (unter vier Monaten) lassen sich relativ leicht miteinander vergesellschaften. Mit anderen Worten sind die Chancen am besten, wenn die Tiere möglichst jung sind. Nicht anzuraten ist es, ein Tier unter vier Monaten mit einem alten Tier zusammen zu führen. Das junge Tiere könnte sich nicht ausreichend wehren, sich nicht durchsetzen und könnte schwer verletzt werden. Vom Stress ganz zu schweigen. Jung (aber älter als vier Monate) und alt kann harmonieren und auch nicht. Hier kommt es sehr auf den Charakter der Tiere an. Manch Jungspund ist gelangweilt von einem älteren Tier und manch älteres Tier ist genervt von so einem Jungspund. Daher bitte immer das Wesen des jeweiligen Tieres genau unter die Lupe nehmen. Ein junges Tier in eine bestehende Gruppe zu integrieren ist durchaus möglich, aber bitte die Kaninchen und die Vorgänge in der Gruppe gut beobachten. Es ist immer der Halter gefordert. Zwei alte Tiere aneinander zu gewöhnen ist ein oft sehr schwieriges Unterfangen, kann aber durchaus klappen. Zum Wohle der Tiere sollte nicht auf eine Kastration aus Geldsparmaßnahmen verzichtet werden. Reine Weibchengruppen klappen ebenso wenig selten wie eine Gruppe unkastrierter Rammler. Es sind harmonische Gruppen anzustreben. 

 

WO sollte eine Vergesellschaftung stattfinden?

Dem Ort der Vergesellschaftung kommt eine große Bedeutung zu! Auf jeden Fall sollten zwei einander fremde Tiere nie in einen gekauften begrenzten Käfig gesetzt werden. Dies führt unweigerlich zu Stress und kann verheerende Folgen haben. Für die erste Begegnung ist ein neutraler Raum wichtig mit ausreichend Ausweich- und Versteckmöglichkeiten in der Größe von mindestens 6 m2. Als Verstecke eignen sich Tunnels oder Kartons, die beidseits geöffnet sind. Wichtig ist, dass ein Tier nicht in eine Ecke gedrängt werden kann wie in einem Häuschen, das nur eine Öffnung hat. Neutral deshalb, damit kein Tier markiert hat und Revieransprüche stellt. Sonst sind Kämpfe vorprogrammiert. Die Größe ist deshalb sehr wichtig, damit sich die Tiere aus dem Wege gehen können und sich in Ruhe annähern können. Die Kaninchen selbst geben das Tempo vor. Innerhalb dieses Gebietes wird Heu und Futter und Wasser an mehreren Stellen verteilt. Fressen beruhigt und baut Stress ab. Ist der Raum zu klein, leiden die Tiere oft massiven Stress und dieser sollte vermieden bzw. eingeschränkt werden. Kaninchen lassen Fell rieseln, wenn sie gestresst sind.

 

Gittertrennung bei einer Vergesellschaftung?

Zwei einander fremde Tiere sollten nicht in ihren Käfigen Gitter an Gitter neben einander gestellt werden. Das ist massiver Stress für die Tiere, die nicht fliehen können.

Auch eine reine Gittertrennung ist nicht wirklich empfehlenswert, außer wenn die Tiere bereits zusammenlebten und wegen Krankheit eine Weile nicht direkt in Kontakt treten sollen. Oder bei Tieren, die nicht in eine Gruppe aufgenommen werden können, aber die Nähe einer Gruppe mögen und sich sicherer in dieser Nähe fühlen. Hier ist wieder Beobachtung gefordert wie immer.

 

Vorgehensweise:

Gleichzeitig die Kaninchen in den neutralen und bereits vorbereiteten Raum setzen. Hier nun einige Beispiele, wie so eine erste Zusammenkunft aussehen kann:

  • das alteingesessene Kaninchen und vielleicht auch ältere Kaninchen läuft dem neuen Kaninchen nach, zupft ihm Fell aus (wobei Kaninchen das meiste Fell durch den Stress verlieren), versucht es vielleicht zu besteigen oder baut sich vor ihm mit aufgestelltem Fell auf.
  • der Neuankömmling läuft davon, versucht zu fliehen und sich zu verstecken.
  • je nach Charakter kann der Neuzugang selbst dominantes Verhalten an den Tag legen und das alteingessene Tier zu dominieren versuchen.
  • dann und wann bleiben die Kaninchen in unterschiedlichen Bereichen sitzen und ignorieren einander erst einmal. Sie wirken desinteressiert und fressen, wobei fressen auch immer beruhigend und Stress abbauend wirkt.
  • durchaus kann so eine erste Begegnung auch sehr friedvoll vonstatten gehen. Die Tiere beschnuppern einander dann gegenseitig im Gesicht und am After. Eines wird sich dann irgendwann abwenden und unter Umständen vom anderen gejagt. Meist nur kurz und es kann mit einem Brummen oder Knurren einhergehen oder von Aufreiten unterbrochen werden. Dies ist aber alles absolut normal.
  • Beobachten kann man auch manchmal, dass sich die beiden Kaninchen im Lauf anspringen und kurz miteinander balgen und dann wieder eines das andere jagd.
  • Im optimalen Fall beschnuppern einander die Kaninchen ausgiebig und beginnen dann irgendwann einander zu putzen und zu lecken. Es ist normal, dass irgendwann (auch noch nach Tagen) das dominantere Kaninchen das unterwürfige Kaninchen zu besteigen versucht.

Wir dürfen uns auch nicht wundern, wenn ein dominantes Weibchen ein Männchen besteigt und „berammelt“ oder sich mit ihrer Kinnduftdrüse an ihm reibt und ihn so markiert. Dies ist insbesondere dann zu beobachten, wenn sie vorher im Revier lebte. Je nach Temperament und Charakter des männlichen Kaninchens wird dieses das Weibchen auch besteigen oder die Prozedur einfach über sich ergehen lassen. Hierzu muss man wissen, dass auch in der Natur Rammler viel einstecken müssen von der Damenwelt und sich daher nur vorsichtig annähern.

Auch wenn Fell durch die Luft wirbelt und das Szenario beängstigend wirkt, greifen sie nicht gleich ein. Eine Vergesellschaftung kann von einigen Stunden über mehrere Tage und sogar Wochen dauern. Geduld ist gefordert und ein sehr gutes Beobachtungspotential. Bei heftigeren Kämpfen, schweren Bissen muss natürlich eingegriffen werden.

 

Geglückt ist eine Zusammenführung erst, wenn sich die Kaninchen in dem neutralen Gebiet über einige Tage hinweg gut verstehen. Dies soll heißen, gemeinsam fressen, nebeneinander liegen oder sogar Kontaktliegen, einander putzen, sich gegenseitig die Ohren lecken. Dann kann man den Kaninchen auch den Rest der Wohnung zur Verfügung stellen. Wichtig ist, dass man die Kaninchen erst dann in Ihr gemeinsames Gehege lässt, wenn sie sich gut vertragen, also keine Kämpfe mehr gefochten werden. Umgekehrt sollten die Tiere in dieser Phase nicht wieder getrennt werden! Sie sollen es „ausfechten“, so lange alles im Rahmen läuft. Durchhalten ist die Devise.

 

Letzter Schritt: Gemeinsam im Heimatgehege des eingesessenen Kaninchens

Hier kann es unweigerlich wieder zu Streit und Jagdsequenzen kommen. Daher ist die gründliche vorherige Reinigung immens wichtig, am besten mit enzymatischen Reinigern. Gestalten Sie das Innenleben des Geheges ganz neu mit neuen Tunneln, Häuschen etc. und verteilen sie ausreichend Futterstellen sowie Wasserstellen. In diesem Fall geben wir dem neuen Kaninchen eine Vorsprung und setzen es zuerst in das Gehege. Kaninchen, die sich zuvor schon zusammengerauft haben, vertragen sich meistens auch im Ursprungsgehege. Bitte nicht die Geduld verlieren. Vergesellschaftungen können Tage bis Wochen in Anspruch nehmen.

 

Manchmal ist eine Trennung unabwendbar. Nach heftigen Kämpfen sollten die Kaninchen über etwa 14 Tage getrennt werden. In diesem Sinne bringt man sie in unterschiedlichen Räumen unter und sie sollten einander weder riechen noch sehen. Dann kann man es nochmals mit einer Zusammenführung versuchen. Klappt es dann immer noch nicht, sollte man ein Tier abgeben.

Kleinere Bisse und Wunden sind im akzeptablen Bereich. Es soll aber auch nie eine Mobbingsituation entstehen, in der ein Tier in Dauerstress lebt. Dies macht unweigerlich krank.

Bisse, Wunden an Hals, Hinterteil und Flanken sind immer ernst zu nehmen. Diese weisen auf heftige Rangkämpfe hin und dass das unterlegene Tier immer wieder gejagt und bekämpft wird. Dann muss man die Tiere trennen. Ohren hingegen sind stark durchblutet und können rasch bluten.

BITTE nie zwei einander fremde Tiere einfach gemeinsam in einen kleinen Käfig setzen!!!

Am besten ist man bei solch Vergesellschaftungen immer zu zweit, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Sind die Tier sehr in einen Kampf vertieft, hilft es jeweils ein leichtes Handtuch über die Tiere zu werfen oder ein wenig Heu über sie rieseln zu lassen. Man kann auch versuchen, die Tiere mit Hilfe eines Kartons zu trennen, den man geschickt zwischen die beiden Kontrahenten schiebt. Von Wasser ist eher abzuraten, da sich Kaninchen doch rasch erkälten. Mit bloßer Hand sollte niemals hineingegriffen werden, da man sonst unweigerlich gebissen wird. Mit Handschuhen ausgerüstet kann man aber durchaus beherzt das Kaninchen am Hinterleib packen – jeder ein Kaninchen – und so die Tiere trennen.

 

Geduld und Zeit sind auch bei einer Kaninchenvergesellschaftung hilfreiche Werkzeuge.

 

 

 

Gelesen 1263 mal Letzte Änderung am Montag, 18 November 2019 17:57
Elke Söllner

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